Pompeji am Golf von Neapel gilt als eine der am besten erhaltenen Ruinenstädte der Welt. Der renommierte Reisejournalist Stuart Butler findet aber, dass die alten Römerstädte im Norden Algeriens eher eine Reise wert sind. Vor allem Djémila hat es ihm angetan.
Stuart Butler hat mehr als 30 Reiseführer für Lonely Planet verfasst. Mit Fug und Recht lässt sich also behaupten, dass der Mann die Welt gesehen hat. In der aktuellen Ausgabe des britischen Reisemagazins Travel Africa (Januar bis März 2018) schreibt er, dass er von Pompeji enttäuscht war: Die Touristenmassen hätten ihm der Chance beraubt, die Ausgrabungen in Ruhe zu betrachten.
Der Zufall wollte es, dass Butler von einem anderen Pompeji-Besucher die Empfehlung erhielt, zu den römischen Ruinenstädte im Norden Algeriens zu reisen. Nach der Eingliederung in das Römische Reich teilte Kaiser Claudius 42 nach Christus das Königreich Mauretanien in die beiden Provinzen Mauretania Tingitana und Mauretania Caesariensis. Während Mauretania Tingitana heute das nördliche Marokko inklusive der Exklaven Melilla und Ceuta umfasste, lag Mauretania Ceasariensis überwiegend auf algerischem Gebiet.
Mit Timgad, Tipasa und Djémila stehen gleich drei römische Gründungen in Algerien heute auf der UNESCO-Listes des Welterbes. Vor allem Djémila hat Stuart Butler den Atem verschlagen. Die Ruinenstadt liegt in einzigartiger Gebirgslage zwischen zwei Wadis auf 900 Metern Seehöhe und gilt als Musterbeispiel für gekonnte römische Stadtplanung. Butlers Fazit gleicht einer Liebeserklärung:
The word Djémila translates as ‚beautiful‘. It’s a simple name, but it’s undeniably appropriate. Yes, there are grander Roman sites in Algeria, but Djémila has a grace and a mountain-meadow setting that speak of poetry.
Djémila hieß während der Römerzeit Cuicul. Die ursprüngliche Berbersiedlung wurde unter Kaiser Nerva Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus zu einer römischen Veteranenkolonie. Ihre Blüte erreichte die Stadt zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert. Nordafrika galt wegen des damals feuchteren Klimas als die Kornkammer Roms. Durch die fruchtbare Landwirtschaft gelangte Djémila zu Wohlstand.
Der ehemalige Reichtum der Römerstadt ist heute noch erahnbar: Erhalten sind zwei Foren, mehrere Basiliken, Tempel, christliche Kirchen, Triumphbögen und reich ausgestattete Privathäuser. Erste Ausgrabungen begannen bereits im Jahr 1909 und wurden bis 1957 fortgesetzt. Die wichtigsten Funde, darunter große Mosaiken, werden im Museum von Djémila ausgestellt.
Ein Highlight ist der gut erhaltene Tempel, der Kaiser Septimius Severus (193-211 n. Chr.) und seiner Gemahlin Iulia Domna geweiht war (siehe Titelbild). Ihr Sohn Caracalla (211-217 n. Chr.) ließ den Triumphbogen von Djémila erbauen, der heute das Wahrzeichen der Siedlung ist.
Im Unterschied zu Pompeji verirren sich nur wenige Touristen nach Djémila. Hauptgrund dafür ist, dass es im Norden Algerien in den letzten Jahren immer wieder zu Terroranschlägen und Entführungen kam. Von den Überfällen betroffen war vor allem die Region Kabylei, in der Djémila liegt. Für Algerien gilt daher derzeit eine Teilreisewarnung (Stand. 13. Februar 2018).
Titelbild: Der Tempel von Septimius Severus und Iulia Domna (Chrisi1964 – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, Link)