Die Lehmhäuser der Musgum faszinieren durch ihre kunstfertige Bauweise. In Europa wurden sie erstmals durch die Reise des Afrika-Forschers Heinrich Barth bekannt. Bei seiner Expedition in die heutige Region Extrême-Nord in Kamerun begleitetete er eine grausame Menschenjagd.
Das zentrale Siedlungsgebiet der Musgum, die sich selbst Mulwi nennen, beginnt etwa 125 Kilometer südlich des Tschad-Sees im Grenzgebiet von Kamerun und Tschad. Die Ebene, die zum Tschad-Becken zählt, liegt auf einer Seehöhe von 300 m. Hier dürften sich die Musgum im 16. oder 17. Jahrhundert niedergelassen haben.
Außenwände mit einzigartiger Struktur
Der US-amerikanische Kunsthistoriker Steven Nelson hat sich in seinem Buch „From Cameroon to Paris: Mousgoum Architecture In & Out of Africa“ (2007) intensiv mit den Lehmbauten befasst. Die kreisförmig angelegten Gehöfte bestehen aus mehreren Gebäuden, deren Aussehen häufig mit jenem von Muscheln, Bienenstöcken oder Termitenhügeln verglichen wird.
Einzigartig sind die kunstvollen Strukturen an den Außenwänden, die als Aufstriegshilfe beim Bau und bei der Instandhaltung der Häuser dienen. Die UNESCO-Dokumentation De Feuilles et de Terre gibt Einblicke in die Bauweise der Häuser.
Heute sind die Lehmhäuser der Musgum weitestgehend Ziegel- oder Lehmgebäuden mit Wellblechdächern gewichen. Erst der aufkommende Tourismus in den 1990er-Jahren brachte eine Rückbesinnung – in Kamerun können die traditionellen Musgum-Häuser in Maga und vor allem in Pouss bestaunt werden.
Allerdings warnen sowohl das Auswärtige Amt in Deutschland als auch das österreichische Außenministerium vor Reisen in die Region Extrême-Nord. Durch die terroristischen Aktivitäten von Boko Haram besteht ein hohes Anschlags- und Entführungsrisiko.
Die große Afrika-Reise von Heinrich Barth
In Europa erfuhr man das erste Mal von den Musgum und ihren Lehmhäusern durch die Afrika-Reise von Heinrich Barth in den Jahren 1850 bis 1855. Die britische Regierung hatte im Herbst 1849 den Missionar James Richardson beauftragt, eine Expedition von Tripolis an den Tschadsee durchzuführen. Als wissenschaftliche Begleiter wurden ihm der Hamburger Astronom und Geologe Adolf Overweg sowie Heinrich Barth vermittelt.
Heinrich Barth (*1821 Hamburg, + 1865 Berlin) hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits durch seine Erkundungsreise in Tunesien und Libyen (1845-1847) einen Namen gemacht. Außerdem konnte er mit Sprachkenntnissen überzeugen: Barth sprach fließend Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Türkisch und Arabisch und erlernte in weiterer Folge mehrere afrikanische Sprachen, wie etwa Hausa, Fulfulde oder Kanuri.
Im Reich von Bornu
Der Aufbruch erfolgte am 24. März 1950 in Tripolis und sollte zunächst nach Kuka, der Hauptstadt von Bornu, im Nordosten Nigerias führen. Die Reise Richtung Tschadsee dauerte aber wesentlich länger als geplant.
Am 10. Jänner 1951 trennten sich die Wege der Reisenden in kleinen Ortschaft Taghelel im heutigen Niger: Richardson wollte Sokoto, die Hauptstadt des gleichnamigen Kalifats, besuchen. Overweg zog es in den Hausastaat Gobir. Ein Wiedersehen wurde rund um den 1. April 1951 in Kuka vereinbart.
Kurz vor seiner Ankunft in Kuka erfuhr Barth, dass Richardson am 4. März in Nguruata verstorben war – eine Sechstagereise vom Zielort entfernt. Barth traf am 2. April 1951 in Kuka ein. Das Reich wurde von Shehu (Scheich) Umar I ibn Muhammad al-Amin und seinem Wesir Hajj al Bashir ben Ahmed Tirab regiert.
Nachdem auch Overweg nach Kuka gelangt war, wurde die Hauptstadt zur Basis für insgesamt fünf Expeditionen. Am 25. November 1851 brachen Barth und Kuka zu ihrer dritten Erkundungsreise auf. In den nächsten drei Monaten sollten sie 6.915 km zurücklegen.
Sklavenjagd in Kamerun
Wie wir aus dem dritten Teil von Barths fünfbändigem Werk „Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika“ wissen, begleiteten die beiden Forscher einen Feldzug von Shehu Umar und seinem Wesir. Das Heer hatte mit 20.000 Kriegern, 10.000 Pferden und ebensovielen Lasttieren ein immense Größe.
Die genaue Route war dabei weniger klar als das eigentliche Ziel, das in der Jagd nach Sklav*innen bestand. Das war Barth beim Aufbruch bewusst:
„Wohin es ging, war noch gar nicht bestimmt, wenigstens nicht öffentlich bekannt, und als direktes Ziel wird nur Mándara angegeben, um den Fürsten dieses kleinen, von Bergen geschützten Ländchens zum Gehorsam zu zwingen. Die Hauptsache aber war, dass die Kisten und Sklavenräume leer waren und gefüllt werden mussten; woher, war Nebensache.“
(Heinrich Barth: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1955. Dritter Band, Gotha, 1857, S. 112)
Der Weg führte den „Heerwurm“ (Barth) südwärts über Dikoa (Dikwa) ins Königreich Mandara mit der Hauptstadt Mora. Der Sultan von Mandara, Bukar Narbanha, unterwarf sich, wodurch Kampfhandlungen vermieden werden konnten. Shehu Umar entschloss sich in der Folge, mit einem kleinen Teil seiner Armee nach Kuka zurückzukehren.
Gräueltaten im „Land der Musgu“
Wesir Hajj al Bashir allerdings wollte zur Sklavenjagd weiter ins Land der Musgu, wie die Musgum bei Barth genannt werden. Die beiden deutschen Forscher sollten den Wesir begleiten, der Tross setzte sich in südöstlicher Richtung in Bewegung.
Am 23. Dezember 1851 erreichten die Armee mit den beiden Forschern das Musgum-Gebiet und das nördlichste Dorf Gabari. Barth berichtet von den Grausamkeiten, die das Heer aus Bornu verübte: An einem einzigen Tag sollen beim Dorf Kákalā bis zu 1.000 Sklav*innen gefangen worden sein, 170 Männer wurden „ohne Schonung abgeschlachtet“ (ebda, S. 175)
Abseits des brutalen Feldzugs zeigte sich Barth von der Schönheit der Landschaft angetan, das „an Mannichfaltigkeit und Reichtum die öde Umgebung von Kúkaua so weit übertraf“ (ebda, S. 183). Anfang Jänner 1852 wurde das Westufer des Logone erreicht, dessen Unterlauf heute die Staatsgrenze zwischen Kamerun und Tschad bildet.
Am 7. Jänner 1952 trat das Heer aus Bornu die Rückreise an – die Route verlief dabei zunächst etwas weiter östlich als auf dem Hinweg. Dabei besichtigte Barth am 14. Jänner das geplünderte und halb niedergebrannte Dorf Baga.
Begeistert vom „Kunst- und Ordnungssinn“
In seinen Aufzeichnungen widmet sich der Afrika-Forscher ausführlich der Beschreibung der dortigen Häuser – vor allem die Reste des Palastes faszinierten ihn:
„Das Ganze war jetzt ein leerer, offener, ziemlich abgerundeter Hofraum von grossem Umfange, rings umher von mehr oder weniger zerstörten Hütten umgeben und an den vier Ecken, wenn man in einem fast runden Gebäude von Ecken sprechen darf, mit höchst eigenthümlichen und reich verzierten Räumen versehen, die meine Aufmerksamkeit zunächst auf sich zogen, da sie von einem Kunst- und Ordnungssinn zeugten, die ich hier zu finden nicht erwartet hatte. Es waren kleine runde Gemächer von etwa 8 Fuss Durchmesser und wenigstens 12 Fuss Höhe, eingeschlossen von dicken, äussert sauber geglätteten Thonwänden und mit einem ganz engen, etwa 14 Zoll breiten und durch ein vorsprigngendes Portal verlängerten Eingang von 6 Fuss Höhe versehen. Das Äussere war auf regelmässige Weise höchst eigenthümlich geschmückt, indem Reihen aufspringender Rippen oder Wulste um das ganze herumliefen (…).“
(Heinrich Barth: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1955. Dritter Band Band, Gotha, 1857, S. 221f.)
Am 1. Februar 1952 kamen Barth und Overweg in Kuka an. Nach der vierten Erkundungsreise nach Bagrimi und Massenja (4. März – 21. August 1852) im Tschad, erkrankte Adolf Overweg an Malaria. Der Forscher verstarb am 29. September 1952 im Dorf Maduari – acht Meilen von Kuka entfernt. Er wurde nur 30 Jahre alt.
Barth war damit der einzige, der das ursprüngliche Expeditionsteam überlebt hatte. Seine weiteren Erkundungen sollten ihn u. a. nach Timbuktu führen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Titelbild: Musgum-Häuser in Kamerun (Foto: Shutterstock.com)