Biblischer Goldrausch in Groß-Simbabwe

Groß-Simbabwe mit Bergruine und Große Einfriedung - Bild: Shutterstock

Groß-Simbabwe ist die größte und schönste Ruinenstadt im südlichen Afrika. Die einstige Handelsmetropole am Südrand des Simbabwe-Plateaus hat früh die Fantasie europäischer Eroberer beflügelt: Sie waren überzeugt, dort die Goldminen von König Salomo zu finden.

Im Jahr 1502 machte sich Vasco da Gama zu seiner zweiten Reise nach Indien auf. Seine Armada bestand aus drei Geschwadern und 20 Schiffen. An Bord der Karavelle „Rui Mendes de Brito“ hatte der Schreiber Thomé Lopes angeheuert.

Am 22. Juli 1502 erreichte das Schiff von Lopes die Hafenstadt Sofala, die auf einer Insel im Delta des Pungwe-Flusses im heutigen Mosambik lag. An Land trafen die Seeleute auf gastfreundliche arabische Händler, die von unfassbaren Goldschätzen aus einer Mine im Hinterland erzählten.

Sofala in einer Darstellung von Alain Manesson-Mallet auf dem Jahr 1683. (Bild: Mallet, Public Domain, Link)

Lopes protokollierte die Aussagen der Händler bis ins Detail: In der Vergangenheit sollen pro Jahr rund neun Tonnen Gold nach Sofala gelangt sein. Und weiter:

„Sie sagten, dass sie Bücher und Schriften hätten, aus denen hervorgeht, dass die Mine, in der König Salomo alle drei Jahre so viel Gold holte, dieselbe war.“

Academia Real das Sciencias (1832): Noticias para a Historia e Geografia das Nacoes Ultramarinas, Lisbon, S. 164. Online: https://books.google.at/books?id=eCsOAAAAYAAJ&dq=editions:LCCN05004414

Enttäuschte Erwartungen

Ophir – so heißt im Alten Testament jener Ort, von dem König Salomo vor 3.000 Jahren riesige Goldmengen nach Jerusalem bringen ließ. Die Portugiesen um Lopes waren überzeugt, dass die Stadt Sofala das Eingangstor zu diesem biblischen Goldland war. Die Minen selbst wurden landeinwärts zwischen den Flüssen Sambesi im Norden und Limpopo im Süden vermutet – also auf dem Gebiet des heutigen Simbabwe.

Die Aussicht auf enorme Goldfunde führte dazu, dass die Portugiesen Sofala im Jahr 1505 besetzten und dort einen Handelsstützpunkt errichteten. Ihre hohen Erwartungen wurden allerdings bald enttäuscht. 1513 berichtete der Handelsbevollmächtige von Sofala, Pedro Vaz Soares, dass die Profite aus dem Goldhandel kaum die Kosten decken würden. In acht Monaten konnten nur etwas mehr als 30 Kilo Gold eingesammelt werden. (Quelle: Rhodesiana 1968, S. 44)

Trotz der miserablen Ausbeute hielt sich der Mythos um das angebliche Goldland beharrlich. Er bekam sogar neuen Auftrieb, als der portugiesische Historiker João de Barros 1552 über eine Ebene voller Minen berichtete, „in deren Mitte eine quadratische Festung steht.“ Diese sei „aus Steinen wunderbarer Erhabenheit“ erbaut und werde von der einheimischen Bevölkerung „Simbaboe“ genannt. (Quelle: Barros 1932, S. 375)

Bei dieser Schilderung handelt es mit großer Wahrscheinlichkeit um die erste schriftliche Beschreibung von Groß-Simbabwe. Barros hat aber die Stadt nicht selbst gesehen, sondern gab die Berichte arabischer Händler wieder.

Die strategisch günstige Lage zwischen den Goldminen im Osten und der Schifffahrt im Westen machte Groß-Simbabwe zu einer wohlhabenden Handelsmetropole. 400 Kilometer Luftlinie betrug die Distanz von Groß-Simbabwe in die ehemalige Hafenstadt Sofala, die von den Portugiesen Ende des 19. Jahrhunderts aufgeben wurde.

Groß-Simbabwe wird zum Machtzentrum

Ab dem 11. Jahrhundert hat sich Groß-Simbabwe zum bedeutendsten Machtzentrum in der Region entwickelt. Während seiner Blütezeit zu Beginn des 15. Jahrhunderts dürften hier zwischen 10.000 und 20.000 Menschen gelebt haben. Der hohe Bevölkerungsdruck war aber vermutlich dafür verantwortlich, dass die Stadt um 1450 verlassen wurde: Das Gebiet war weiträumig entwaldet und die Böden erschöpft.

Geblieben ist eine Ruinenstätte, die heute das wichtigste Symbol für die nationale Identität von Simbabwe ist: Der enorme Stellenwert der Ruinen wird allein schon dadurch deutlich, dass sich der Staat nach seiner Unabhängigkeit im Jahr 1980 nach diesem Ort benannt hat. Der Landesname Simbabwe wird offiziellen Stellen zufolge von „dzimba dzemabwe“ abgeleitet, was in der Sprache der Shona so viel bedeutet wie „Häuser aus Stein“.

Groß-Simbabwe: Eingang zur Bergruine
Eingang zur Bergruine von Groß-Simbabwe (Foto: Shutterstock)

Seit 1986 ist Groß-Simbabwe Teil des UNESCO-Welterbes. Die spektakulärsten Bauwerke des 722 Quadratmeter großen Areals sind die Bergruine und die Große Einfriedung. Die Bergruine befindet sich auf dem 91,5 Meter hohen Granitrücken an der Nordflanke. Hier residierten früher die Könige des Reichs.

Im südlichen Tal liegt die Große Einfriedung. Für die 255 Meter lange Mauer wurden eine Million Granitsteine mit einem Gesamtgewicht von 15.000 Tonnen und ohne Mörtel verbaut. Ein kunstvoller Fries schließt die Außenmauer nach oben ab. Im Inneren der Einfriedung befindet sich der zehn Meter hohe Konische Turm, der schon in den Beschreibungen von João de Barros Erwähnung fand.

Der falsche Entdecker

Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Portugiesen Groß-Simbabwe in jenen Tagen selbst erkundet haben. Es sollte bis ins Jahr 1867 dauern, als der deutsch-amerikanische Elefantenjäger Adam Stanley Render zufällig auf die Ruinen stieß. Render, der ca. 20 Kilometer südöstlich der Ruinen im Dorf des Shona-Chiefs Pike lebte, behielt aber seine Entdeckung zunächst für sich.

Am 30. August 1871 traf Render auf den schwäbischen Afrika-Forscher Carl Mauch (1837-1875), der auf der Suche nach den sagenhaften Ruinen war. Nur wenige Tage später – am 5. September 1871 – trafen die beiden gemeinsam in Groß-Simbabwe ein.

Die Große Einfriedung in Groß-Simbabwe (Foto: Shutterstock)

Mauch reklamierte den Erfolg für sich. Nach seiner Rückkehr in die Heimat publizierte er einen 55 Seiten langen Reisebericht über seine sieben Jahre im südlichen Afrika. Der schmale Band endet mit der Expedition zu den Ruinen von Simbabwe und wie ihm „das Glück zu Theil wurde, sie als der erste Weisse zu sehen“. (Quelle: Mauch 1874, S. 49)

Weiters zeigte sich Mauch in dem Bericht davon überzeugt, das biblische Goldland von Ophir gefunden zu haben. Die Ruinen stammten nach seiner Auffassung von den Phöniziern, die zu den Zeiten von König Salomo intensive Handelsbeziehungen mit Jerusalem pflegten.

König Salomos Schatzkammer

Warum ließ sich Carl Mauch in seinem Bericht zu derartigen Spekulationen hinreißen? Mauch stand unter Zugzwang: Er war von Beruf eigentlich Volksschullehrer, hatte kaum finanzielle Mittel und keinen akademischen Abschluss. Trotzdem wollte er sich als Afrika-Forscher etablieren. Nach vielen Rückschlägen brauchte er endlich den großen Erfolg.

Die Anerkennung blieb Mauch allerdings zeitlebens versagt. Eine Anstellung im Wissenschaftsbetrieb scheiterte an der fehlenden akademischen Qualifikation. Mauch musste seine Ambitionen an den Nagel hängen und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Betriebsleiter und Geologe in einer Zementfabrik in Blaubeuren.

Rätselhaft blieb sein früher Tod: In der Karfreitagsnacht vom 26. auf den 27. März 1875 stürzte Mauch unter ungeklärten Umständen aus dem Fenster seiner Wohnung und verstarb am 4. April im Stuttgarter Ludwigsspital.

Der Konische Turm befindet sich innerhalb der Großen Einfriedung (Foto: Shutterstock)

Carl Mauch konnte nicht mehr miterleben, wie der Ophir-Mythos 1885 durch den Abenteuerroman „King Solomon’s Mines“ des britischen Schriftstellers Henry Rider Haggard weltweit hohe Popularität erfuhr.

Der britische Imperialist Cecil Rhodes wusste die Gunst der Stunde für seine Zwecke zu nutzen. Als er 1890 das Matabeleland und damit weite Teile des heutigen Simbabwe unter die Kontrolle seiner British South Africa Company brachte, erklärte er, dass er gekommen sei, „um den uralten Tempel zu sehen, der einst den Weißen gehörte.“ (Quelle: Peter Garlake 1975, Simbabwe – Goldland der Bibel oder Symbol afrikanischer Freiehti, Bergisch Gladbach, S. 71)

Die britischen Kolonialisten stellten einen afrikanischen Ursprung von Groß-Simbabwe mit dem Argument in Abrede, dass die einheimische Bevölkerung zu solchen Leistungen nicht fähig gewesen wäre. Durch dieses rassistische Narrativ rechtfertigen die Briten, dass sie das Land in Besitz nehmen und nach Belieben ausbeuten konnten.

Archäologen gegen die Staatsräson

Zwischen 1891 und 1904 fanden mehrere Grabungsexpeditionen und Plünderungen in Groß-Simbabwe statt, die große Schäden anrichteten und archäologische Arbeiten erschwerten. Erst 1905 und 1906 fand eine wissenschaftliche Ausgrabung durch den britischen Archäologen David Randall-MacIver statt. Die bisherigen Annahmen über Groß-Simbabwe, dass es dabei „um ein Werk eines Volkes aus dem alten Orient handeln“ könnte, erklärte er mit der „unkritischen Leichtgläubigkeit“ mittelalterlicher Chronisten und damit als wertlos. (Quelle: ebda, S. 83)

Randall-MacIver gelangte zum Ergebnis, dass Groß-Simbabwe im Mittelalter von Afrikanern errichtet worden war. Spätere Untersuchungen und Radiokohlenstoffdatierungen in den 1950er-Jahren bestätigten diese Resultate und ließen keinen Zweifel daran, dass die Ruinen nichts mit den Phöniziern oder König Salomo zu tun hatten.

Luftaufnahme der Großen Einfriedung von Groß-Simbabwe (Bild: Shutterstock)

Die eindeutigen Befunde wurden aber von der weißen Kolonialherrschaft abgelehnt. Die regierende Rhodesian Front unter Ian Smith unterzog von 1965 bis 1980 alle Bücher und Dokumente über Groß-Simbabwe der Zensur. Keine offizielle Veröffentlichung durfte behaupten, dass die Ruinen afrikanischen Ursprungs seien. Der simbabwische Archäologe Peter Garlake musste 1970 sogar das Land verlassen, weil er das Gegenteil behauptete.

Die Geschichte um den Ophir-Mythos im südlichen Afrika hätte aber auch ganz anders laufen können. Denn um ein Haar wären der Schiffsschreiber Thomé Lopes und seine Aufzeichnungen vom Meer verschlungen worden. Auf dem Rückweg von Indien wurde seine Karavelle am 20. Mai 1503 vor der Ilha de Moçambique von einem anderen Schiff der Flotte gerammt. Die „Rui Mendes de Brito“ ist in der Folge beinahe gesunken. Erleichtert notierte Lopes in sein Reisetagebuch:

Aber obwohl wir große Sünder waren, wollte unser Herr nicht, dass wir auf den Grund gingen“, notierte ein erleichterter Lopes in sein Reisetagebuch.

Academia Real das Sciencias (1832): Noticias para a Historia e Geografia das Nacoes Ultramarinas, Lisbon, S. 211. Online: https://books.google.at/books?id=eCsOAAAAYAAJ&dq=editions:LCCN05004414

Titelbild: Eingang zur Bergruine in Groß-Simbabwe (Bild: Shutterstock.com)