Gemeinsam mit Armenien und Georgien zählt Äthiopien zu den am ältesten christlich geprägten Staaten der Welt. Da die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche den äthiopischen Ge’ez-Kalender verwendet, findet Weihnachten zwei Wochen später als bei uns statt.
Das äthiopisch-orthodoxe Christentum hat seine Wurzeln im Jahr 316. Laut dem Historiker und Theologen Rufinus von Aquileia begleiteten die Brüder Frumentius und Aedesius aus Tyros im heutigen Libanon ihren Onkel Meropius nach Äthiopien. Im Roten Meer wurde das Schiff überfallen und die Besatzung getötet. Frumentius und Aedesius wurden als Sklaven an den König von Aksum verkauft.
Die beiden Jungen konnten allerdings das Vertrauen des Königs erwerben, der ihnen vor seinem Tod die Freiheit schenkte. Die verwitwete Königin machte Frumentius zum Hauslehrer des Thronfolgers Ezana, der in der Folge zum Christentum übertrat und den Glauben im Land verbreiten ließ. Später wurde Frumentius vom Patriachen von Alexandria, Athanasius, zum Bischof von Aksum ernannt.
In Äthiopien wird der Ge’ez-Kalender verwendet, der unserem gregorianischen Kalender sieben Jahre und acht Monate Tage nachläuft. Die Zeitrechnung basiert auf einer späteren Annahme von Christi Geburt. Jedes der zwölf Monate im äthiopischen Kalender hat exakt 30 Tage. Die Resttage werden in einem 13. Monat zusammengefast. Das heurige Weihnachtsfest findet nach dem Ge’ez-Kalender am 29. Taḫśaś 2010 statt – das entspricht dem 7. Januar 2018 nach unserer Zeitrechnung
Besonders prachtvoll wird Weihnachten – in Äthiopien Genna genannt – im Wahlfahrtsort Lalibela begangen. Die heillige Stadt liegt auf 2.500 Meter Seehöhe und ist für seine elf monolitihischen Kirchen weltbekannt. Die Felskirchen wurden im 12. und 13. Jahrhundert in die rote Basaltlava gemeißelt, man geht von einer Bauzeit von 100 Jahren aus.
Seit 1978 zählen die Kirchen von Lalibela zum Weltkulturerbe der UNESCO. Jedes Jahr strömen zehntausende Pilger nach Lalibela, um dort das Weihnachtsfest und das Ende der vorweihnachtlichen Fastenzeit zu feiern.
Wesentlich bekannter ist allerdings das äthiopische Timkat-Fest, das an die Taufe Jesu im Jordan und die Epiphanie (Erscheinung des Herrn) erinnern soll. Bei uns wird das Fest der Epiphanie am Dreikönigstag begangen. In Äthiopien findet Timkat am 10. Tag des Ṭərr-Monats statt, im Jahr 2018 also am 19. Januar.
Das Timkat-Fest ist für seine Nachstellungen des Taufrituals berühmt. Am stimmungsvollsten ist die Zeremonie in der alten Kaiserstadt Gonder (siehe Titelbild) zu erleben. Die ehemalige Hauptstadt liegt auf 2.133 Meter Seehöhe und zählt etwa 350.000 Einwohner. In der Stadt befinden sich alte Paläste und zahlreiche Kirchen, die bis heute gut erhalten sind. Während des britischen Bombardements im Jahr 1941 sind die Bauten weitgehend unbeschädigt geblieben.
Bei der Timkat-Zeremonie werden Tabot-Tafeln in kunstvoll verzierte Tücher gehüllt und von Priestern während der Prozession am Kopf getragen. Die Tabot-Tafeln gelten als Nachbildungen der zehn Gebote, die Mose in der Bundeslade vom Berg Sinai herabbrachte. In Äthiopien herrscht die weitverbreitete Überzeugung, dass sich die Bundeslade nach wie vor in Aksum befindet. Allerdings sind auf den Tabot-Tafeln keine Gebote, sondern Kreuze und andere religiöse Symbole eingraviert.
Titelbild: Stimmungsvolle Atmosphäre beim Timkat-Fest in Gonder (Shutterstock.com)