Der renommierte Feldbiologe und Naturschützer Ian Redmond dürfte nicht schlecht über seine Entdeckung gestaunt haben. Im Jahr 1980 beobachtete er im kenianischen Mount-Elgon-Nationalpark Elefanten, die sich regelmäßig in die Kitum-Höhle zurückzogen, um dort Salz zu gewinnen.
Auch heute noch können die Dickhäuter dabei beobachtet werden, wie sie in der 180 Meter langen Kitum-Höhle am Mount Elgon mit ihrem Rüssel Felsbrocken von den Wänden lösen. Das Gestein enthält Salz, das den natriumarmen Speiseplan der Pflanzenfresser ergänzt.
Zu weltweiter Bekanntheit gelangte die Kitum-Höhle durch den Ebola-Thriller “Hot Zone” von Richard Preston aus dem Jahr 1994*. Die Höhle galt damals als Brutstätte des tödlichen Marburg-Virus. In den Jahren 1980 und 1987 waren zwei europäische Höhlenbesucher am Virus erkrankt und kurze Zeit später verstorben.
Preston liefert in seinem Buch eine detaillierte Beschreibung des spektakulären Salzabbaus durch die Elefanten:
“Nachts kamen die Dickhäuter gewöhnlich in ganzen Herden nach Kitum Cave, um Salze und Mineralstoffe zu sich zu nehmen. In der Savanne finden Elefanten leicht Salz im harten Boden und in ausgetrockneten Wasserlöchern, aber im Regenwald ist es kostbar. Die Höhle war so groß, das sie bis zu siebzig Elefanten gleichzeitig Platz bot. Wenn die Elefanten kamen, blieben sie die ganze Nacht dort, dösten im Stehen und schabten den Fels mit dem Rüssel ab. Die Steinbrocken, die sie aus den Wänden brachen, zerkauten sie in kleine Stücke und schluckten sie. Der Elefantendung in der Höhle war voll davon.” (S. 36)
Preston lässt in “Hot Zone” den Franzosen Claude Monet gemeinsam mit seiner kenianischen Freundin in die Höhle vordringen.
“Dann sahen die beiden das Schönste von Kitum Cave: Die Höhle ist ein versteinerter Regenwald. Aus Wänden und Decke ragen mineralische Holzbalken. Stämme von Regenwaldbäumen, die nach dem Ausbruch des Elgon vor sieben Millionen Jahren zu Opal und Feuerstein geworden waren. Die Balken sind von Kristallen umgeben, weißen Mineralnadeln, die aus dem Fels wachsen. Sie sind spitz wie Injektionsnadeln und glitzerten im Licht der Taschenlampe.” (S. 37)
Charles Monet wird später am Marburg-Virus sterben und in Prestons Tatsachenroman zum Indexfall der Krankheit. Nach dem Tod eines 15-jährigen Jungen aus Dänemark suchte der US-Virologe Eugene Johnson im Jahr 1988 ein ganzes Monat die Kitum-Höhle nach dem Marburg-Virus ab – der Spiegel berichtete über die letztendlich erfolglose Expedition.
Erst 2007 fand man heraus, dass Nilflughunde offenbar das natürliche Reservoir für das Marburg-Virus sind. Ugandische Minenarbeiter waren an dem Virus erkrankt, ohne allerdings von den Flughunden gebissen worden zu sein. Seitdem wird vermutet, dass das Marburg-Virus auch durch das Einatmen von Guano übertragen werden kann.
Gegen Ende von “Hot Zone” thematisiert Richard Preston die Arbeit von Ian Redmond. Der Feldbiologe vermutete, dass die Elefanten die Höhle selbst gegraben und das Wissen über die Salzgewinnung weitervererbt hatten.
“Auf Ian Redmond geht die interessante Idee zurück, Elefanten könnten Kitum Cave gegraben haben. Die Elefantenmütter bringen ihren Jungen bei, wie sie Steine abbrechen müssen, um an Salz zu gelangen, ein Wissen, das unter den Elefanten vielleicht schon seit Jahrtausenden von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird.” (S. 348)
Durch den Elfenbeinhandel und die damit verbundene Wilderei ist die Anzahl der Elefanten am Mount Elgon stark zurückgegangen. Laut Ian Redmond hat sich die Population der Dickhäuter am Mount Elgon seit Anfang der 1970er-Jahre von 1.200 Tieren auf unter 100 reduziert.
Touristen bekommen die Elefanten beim Besuch der Kitum Cave eher nicht zu Gesicht. Bei Höhlenführungen kann man aber im Taschenlampenlicht deutlich ihre Spuren erkennen.
*Literaturhinweis: Richard Preston. Hot Zone. Ebola, das tödliche Virus. Der Tatsachen-Thriller. Aktualisierte Neuausgabe Oktober 2014, Knaur.
Titelbild: UNEP, Elephants mining deep inside Kitum Cave, Mt.Elgon NP, Kenya. PhotoIanRedmond.co.uk – CMS Ambassador Ian Redmond. CC BY-NC-SA 2.0